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Klangeinstellung
Für mich ist die Klangarbeit eine der spannendsten Aufgaben des Geigenbauers, für die ich
mir entsprechend viel Zeit nehme.
Es gibt viele Instrumente,
die klanglich nicht optimal eingestellt sind. Oftmals kann man bereits mit wenigen Änderungen Erstaunliches
bewirken.
Einen wesentlichen Augenmerk lege ich dabei auf die Tatsache, dass der Klang von Mensch zu
Mensch sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Mein Ziel ist es, das Instrument individuell auf seinen
Spieler einzustellen, also für den Musiker die beste Lösung zu finden.
Bei der Klangarbeit hilft mir sehr, dass ich selber Geige und Bratsche spiele. So kann ich alle Änderungen
direkt ausprobieren. Bei anspruchsvollen
Klangeinstellungen am Cello unterstützt mich mein Mann, der ein sehr guter Cellospieler ist.
Möglichkeiten der Klangbeeinflussung am fertigen Instrument
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Stimmstock
Der Stimmstock ist ein kleines Fichtenhölzchen, das lose zwischen Decke und Boden geklemmt wird.
Es überträgt die Schwingungen auf den Boden, die von Saite, Steg und Decke kommen. Kurz hinter
dem Stegfuss der Diskantseite ist der Bereich, wo der Stimmstock steht. Manchmal reicht schon
ein kleines Versetzen, um die Geige in ein besseres Gleichgewicht zu bringen. In einigen Fällen
ist es vorteilhaft, einen neuen Stimmstock aus anderem Holz zu machen oder auch einen längeren
oder kürzeren anzufertigen. Die Position des Stimmstocks, sein Holz und die Spannung, mit der er
in den Korpus eingepasst ist, entscheiden viel über die Kräfteverteilung zwischen hohen und tiefen
Saiten.
- Steg
Der Steg als Übermittler der Schwingungen von der Saite auf die Decke spielt ebenfalls eine
entscheidende Rolle für den Klang des Streichinstrumentes. Auch hier beginnen die Möglichkeiten der
Klangbeeinflussung mit der gezielten Auswahl des Holzes. Weiter kann der Geigenbauer durch
unterschiedliches Gestalten des Steges auf die Schwingungs- und Übertragungseigenschaften Einfluss
nehmen.
- Saiten
Die meisten Neuentwicklungen im Streichinstrumentensektor haben in den letzten Jahrzehnten im
Bereich der Saiten stattgefunden. Für den Laien schon fast unüberschaubar, bieten die vielen verschiedenen
Saitentypen ideale Möglichkeiten, ein Instrument individuell einzurichten.
- Hals und Griffbrett
Zusammen mit dem Griffbrett bildet der Hals ein Schwingungssystem, das je nach Gewichts- und
Steifigkeitsverhältnissen verschieden reagiert. Hals- und Griffbrettstärken, insbesondere aber die
Gestaltung des sogenannten "Halsfusses" (Ende des Halses beim Einsatz in den Korpus) und das Gewicht
des Griffbrettendes spielen eine grosse Rolle und können die Anspracheeigenschaften des
Instrumentes beeinflussen.
- Saitenwinkel
Halswinkel, Deckenwölbung, Sattel- und Steghöhe entscheiden zusammen über den
Winkel, den die Saiten am Steg bilden. Sind alle Masse korrekt, ergibt sich bei Geige und Bratsche
ein Saitenwinkel von 157°, beim Cello ein Winkel von 153°.
Ist dieser Winkel höher, üben die Saiten mehr Druck auf die Decke aus, bei niedrigerem Winkel wird
der Druck geringer. Der Saitendruck hat direkten Einfluss auf Lautstärke, Ansprache und Klangfarbe des
Instrumentes.
- Saitenhalter und Hängelsaite
Der Saitenhalter ist die untere Verlängerung der Saiten und überträgt beim Untersattel Schwingungen auf
den Korpus. Material, Länge, Gewicht und Form des Saitenhalters können den Klang beeinflussen. Insbesondere
die sogenannte "Hängelsaite", die untere Befestigung am Endknopf, spielt eine wichtige Rolle bei der
Schwingungsübertragung. Es gibt Hängelsaiten aus unterschiedlichen Materialien (Kunststoff, Darm, Kevlar,
Stahl) mit jeweils ganz eigenen Klangeigenschaften.
- Kinnhalter
Ein Kinnhalter sollte natürlich in erster Linie anatomisch zum Spieler passen, er kann aber ebenso einen
klanglichen Einfluss haben. Hier macht den grössten Unterschied aus, wie und wo der Kinnhalter am
Korpus befestigt ist und wieviel Masse er hat.
- Feinstimmer
Auch Feinstimmer können durch zusätzliche Masse am Saitenhalter Einfluss auf den Klang nehmen. Meistens
ist das zusätzliche Gewicht eher nachteilig, weshalb es inzwischen sehr leichte Feinstimmer z.B. aus Titan
gibt.
- Stachel
Beim Cello stellt der Stachel ein weiteres Detail dar, das zur Klangregulierung verwendet werden kann.
Auch hier sind hauptsächlich Gewicht und Eigenschwingung des Stachelmaterials entscheidend. Es gibt
Stachel aus Stahl (massiv oder hohl), Karbon und Titan. Die "Birne" ist meist aus Ebenholz.
Problembehandlung
Es gibt einige immer wieder auftauchende Probleme, mit denen Spieler und Geigenbauer zu kämpfen haben.
Für fast alle gibt es eine Lösung!
- Anspracheprobleme
Bei schnellen Saitenübergängen oder im Pianospiel kann es vorkommen, dass eine Saite nicht gleich in den richtigen
Schwingmodus findet. Bei Geigen treten Anspracheprobleme meist auf der oberen Saite auf
("pfeifende E-Saite"), bei Bratschen und Celli sind eher die unteren Saiten betroffen.
Mit gezielter Saitenwahl, einer neuen Stimmstockposition und Arbeiten an
Saitenhalter und Hängelsaite kann man das Problem meist beheben.
- Wolfston
Der sogenannte "Wolfston" ist ein akustisches Phänomen, das besonders häufig beim Cello auftritt.
Korpus- und Saitenschwingung überlagern sich und löschen sich zeitweise gegenseitig aus.
Das typische "Stottern" eines bestimmten Tones kann beim Spiel sehr stören.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dem Wolfston zu begegnen. "Wolftöter" arbeiten mit kleinen Gewichten,
die auf der Decke oder einer Saite angebracht werden. Diese dämpfen die Korpus- bzw. die Saitenschwingung
im entsprechenden Bereich. Leider führt der Wolftöter nicht selten zu einer Einbusse im Gesamtklang des
Instrumentes. Einige Cellisten bevorzugen deshalb eine Lösung, die weniger stark in die Schwingungsvorgänge
des Instrumentes eingreift. Durch Arbeiten an Stimmstock und Steg, durch einen anderen Saitenhalter,
Stachel und Saiten kann der Wolfston in der Regel zumindest abgeschwächt werden. Oftmals ist es eine gute
Lösung, den Wolf in einen Tonbereich zu verschieben, der beim Spielen nicht so wichtig ist.
- Scheppern, Sirren, Schnarren
Unerwünschte Nebengeräusche können sehr unterschiedliche Ursachen haben. Offene Randstellen, eine
lose Einlage oder ein zu wenig gehöhltes Griffbrett sind häufige Auslöser von Schnarrgeräuschen, die
mit relativ wenig Aufwand behoben werden können. Schwerer zu orten sind Ursachen im Innern der Instrumente
wie alte Wurmgänge, Leimreste, die sich gelöst haben oder ähnliches. Manchmal können aber auch ganz
kleine Zubehörteile in Schwingung geraten und erstaunlich viel Lärm verursachen.
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Mitglied im Schweizer Verband der Geigen- und Bogenbauer |
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Last update: Mon Apr 21 19:26:13 2025 GMT by Anne Poland, Page = "Klangeinstellung" |
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